"Der Kreativitätsschub kam während der Baby-Pause"

Lilly Toriola und ihre Firma unerstützen Paare in der vielleicht schwierigsten Zeit ihres Lebens. 

Stell dich und deine Familie doch bitte kurz vor.

Ich bin 32, lebe mit meinem langjährigen Lebenspartner und unserem 2-jährigen Sohn in Thun. Ich habe vor zehn Jahren mein Studium in Medien- und Kommunikationswissenschaften und Betriebswirtschaft abgeschlossen. Seit über 12 Jahren bin ich als Journalistin und im Bereich Unternehmenskommunikation tätig. 2014 habe ich gemeinsam mit einem ehemaligen Schulfreund die erste Scheidungsagentur der Schweiz gegründet. Seit 2015 betreue und berate ich Kunden als Scheidungsmanagerin.

                              

Wie heisst deine Firma, was macht sie genau?

Die scheidungsagentur.ch GmbH ist – einfach ausgedrückt – eine „Full-Service-Agentur“ für Trennungen und Scheidungen. Anfang März 2015 haben wir als schweizweit erster Dienstleister das Angebot einer umfassenden Betreuung von Menschen in Trennungs- und Scheidungssituationen eingeführt. Wir bieten alles rund um das Thema Trennung und Scheidung aus einer Hand. Wer vor einer Scheidung steht, muss sich somit nicht mehr verschiedene Experten – Anwalt, Immobilienexperte, Treuhänder, Psychologin – suchen, sondern hat mit uns einen einzigen Ansprechpartner, der alles koordiniert. Wir begleiten Betroffene durch den gesamten Trennungs- und Scheidungsprozess: juristisch, administrativ/ organisatorisch und psychologisch. Wir arbeiten dazu mit zahlreichen Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen: Anwälten, Psychologen, Treuhänder, Immobilienexperten usw. Neu an unserem Angebot ist auch, dass wir Pauschalpreise und die Kunden somit die volle Kostenkontrolle haben. Eine vom Rechtsanwalt erarbeitete Scheidungskonvention kostet so beispielsweise inklusive Einreichung bei Gericht 1500 Franken.

Was sind deine Aufgaben?

Meine Aufgabe als Scheidungsmanagerin ist in einem ersten Schritt eine einfache juristische Beratung. Viele Betroffene wissen nicht, wie ein Scheidungsverfahren abläuft und möchten sich zuerst darüber informieren. In einem zweiten Schritt geht es meist um eine Analyse der Gesamtsituation: Ich kläre ab, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht, ob beispielsweise Versicherungen angepasst werden müssen, welche Behörden informiert werden müssen, analysiere die finanzielle Situation. Als Scheidungsmanagerin begleite ich unsere Kunden durch den Behördendschungel, ich unterstütze sie beispielsweise beim Einholen von Unterlagen oder organisiere eine Übergangswohnung, den Umzug usw. Unsere Kunden können so praktisch alles rund um Ihre Scheidung oder Trennung an uns auslagern.

Was hattest du vor den Kindern für einen Beruf?

Ich habe mehrere Jahre bei einer Tageszeitung und bei verschiedenen Magazinen - unter anderem als Chefredaktorin - gearbeitet, war zuletzt als Kampagnenleiterin bei einer Schweizer Partei tätig. Nach dem Mutterschaftsurlaub bin ich bei einer Bildungsinstitution im Bereich Corporate Communications eingestiegen, wo ich in einem Teilzeitpensum nach wie vor tätig bin.

Wieso hast du dich selbständig gemacht?

Die Idee für eine Scheidungsagentur hatte ich schon länger. Auslöser war die Scheidung einer Freundin vor vier Jahren. Sie ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, war mit der Situation aber komplett überfordert und hätte am liebsten ihre ganze Scheidung „outgesourced“.

Mit meinem früheren Job hatte ich keine Kapazität, die Idee voranzutreiben. Richtig ins Rollen gekommen ist das Ganze während meines Mutterschaftsurlaubs, der mir – trotz Schlafmangel und Müdigkeit – einen Kreativitätsschub verliehen hat.

Was treibt dich morgens aus dem Bett?

Mein Sohn. Er ist ein Frühaufsteher. Zwischen 5.30 und 6 Uhr sind wir meistens alle wach.

Was gefällt dir besonders an der Selbständigkeit / dem Status der Mompreneur?

Dass ich Ideen direkt umsetzen kann, es keine langen und komplizierten Entscheidwege gibt.

Bereust du deine Entscheidung manchmal?

Bisher nicht, im Gegenteil!

Wie sieht die Zukunft deines Unternehmens aus?

Wir möchten das Angebot in Zukunft auch in Französisch für die Westschweiz verfügbar machen.

Was hält deine Familie von deiner Selbständigkeit?

Meine Familie fand die Idee einer Scheidungsagentur zunächst etwas verrückt. Als ich ihnen aufgezeigt habe, dass es in der Schweiz für praktisch jeden Bereich einen spezialisierten Dienstleistungserbringer gibt (die Hochzeit kann von einem Weddingplaner organisiert werden, bei Todesfällen organisiert das Bestattungsunternehmen alles Notwendige), aber nicht für Trennungen und Scheidungen, haben sie das Konzept verstanden. Heute finden sie es toll. Jeder, der selbst einmal oder im Umfeld eine Trennung oder Scheidung erlebt hat, weiss, wie sehr Dinge wie Wohnungssuche oder Schreiben an Versicherungen in einer solchen Situation belasten können.

Wie organisierst du deine Work-Family-Balance?

Ich bin eine relativ gut organisierte Person und arbeite konzentriert und speditiv. Zudem habe ich einen Lebenspartner, der mich extrem unterstützt und mir vieles im Alltag abnimmt. All das ermöglicht es mir, die Zeit, in der ich nicht arbeite, voll geniessen zu können. An den Wochenenden verbringen wir als Familie viel Zeit miteinander. Mein Partner und ich schaffen uns zudem bewusst Zeitinseln, in denen wir nur zu zweit etwas unternehmen.

Hast du Rituale, um den Tag in Schwung zu bringen? Wenn ja, welche?

Ich trinke jeden Morgen eine grosse Tasse Schwarztee. Ein Ritual, das ich von meiner Mutter übernommen habe.

Was oder wer inspiriert dich?

Mich inspirieren nicht so sehr die grossen, bekannten Figuren, sondern eher Menschen in meinem persönlichen Umfeld, die auf ihre Weise besonderes geleistet haben. Dazu gehören sicher meine Mutter und mein Lebenspartner.

Hast du eine Mentorin und wenn ja, wie hast du sie gefunden?

Meine ehemalige Vorgesetzte, mit der ich während vier Jahren in Bundesbern zusammen gearbeitet habe. Von ihr habe ich, insbesondere was die politische Kommunikation angeht, sehr viel gelernt.

Was würdest du einer neuen Mompreneur empfehlen, die sich selbständig machen will?

Für mich waren bei der Firmengründung zwei Faktoren ganz entscheidend. Mein Lebenspartner, der mir sehr vieles abgenommen hat. Ohne seine Unterstützung hätte ich nicht in so kurzer Zeit ein Unternehmen gründen können. Der zweite entscheidende Faktor ist mein Geschäftspartner und Co-Geschäftsführer Sebastian Rufer, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Wir ergänzen uns mit unseren Fähigkeiten ideal und sind ein tolles Team. Mein Tipp für zukünftige Mompreneurs ist deshalb, sich die richtigen Leute mit ins Boot zu holen. Und hartnäckig zu sein, sich auf dem Weg der Firmengründung nicht entmutigen zu lassen.

Was ist dein Motto, im Leben, im Beruf?

„Das Risiko, etwas zu tun, ist häufig so gross wie das Risiko, es zu unterlassen.“

In den nächsten Tagen ebenfalls hier zu lesen: "Warum sich für Selbständigerwerbende ein Ehevertrag lohnt."