Kind und Karriere: Gut genug ist fast perfekt



In Sachen Gleichstellung gibt es noch viel zu tun. Perfekt sein zu wollen, gehört aber nicht dazu.

Erinnert ihr euch an Anne-Marie Slaughter? Das war die Frau mit dem millionenfach gelesenen Artikel im Atlantic Monthly: «Warum Frauen immer noch nicht alles haben können». Damals dachte ich, was heisst schon ALLES? Ich will nur nicht weniger haben können, als ein Mann in derselben Situation. Will heissen: Kind und Karriere (oder in meinem Fall einen Job, den ich gerne mache. Karriere habe ich nie gemacht, die zwei Ks sehen im Text aber besser aus).

Jedenfalls hat dieselbe Slaughter dieses Jahr ein Buch veröffentlicht: «Was noch zu tun ist». Darin beschreibt sie unsere Gesellschaft, wie wir als Frauen (Mütter) und Männer (Väter) darin funktionieren und was eben verbessert werden sollte. Die Berufswelt dürfe das Familienleben in Sachen Prioritäten und Wichtigkeit eben nicht toppen. Erst dann sei eine effektive 50:50-Aufteilung zwischen Mann und Frau möglich. Das Problem sind wir ja selber: Wir wollen alles perfekt machen, sowohl das Eltern (Mutter) sein, als auch unseren Job. Und wenn das nicht klappt, sind wir unzufrieden und denken, wir könnten eben doch nicht alles haben. Das verleitet dann zu Kommentaren wie «als Eltern muss man eben verzichten».
Mein Unternehmen ist mir wichtig, ich möchte es bzw. meine Mitarbeiter so gut führen, dass alle einen guten Job machen und Freude daran haben. Dabei sollten wir genügend Geld verdienen, dass meine Familie davon leben kann. Soweit so gut.
Meine Kinder und mein Mann sind mir im Zweifelsfall noch wichtiger. Was wiederum impliziert, dass ich einen guten Job machen will, um sie zu ernähren (siehe oben). Gleichzeitig wünsche ich mir, dass sie ihr Leben lang wissen, wie sehr ich sie liebe. Was meinen Mann angeht, möchte ich in 50 Jahren immer noch denken «Läck, sind wir ein cooles Team!» und meine Kinder möchte ich zu guten, empathischen und individuell denkenden Menschen erziehen. Soweit, ebenfalls so gut.

Doch perfekt? Was heisst das schon? Als mein Grosser ein Baby war, hatte ich diese Vorstellung von mir mit Schürze, wie ich für ihn Brei koche, ins Fitness gehe und nebenbei noch ein Buch schreibe. Ach, und Haus, Wäsche und Garten wären natürlich auch picco bello erledigt. Das Ganze natürlich zu 50:50 mit meinem Mann geteilt. Alles perfekt, alles easy. Was daraus geworden ist? Die Breie haben wir immer öfter gekauft, weil praktischer (und leckerer, so das Kind). Fitness? Fragt nicht! Und den Haushalt machen wir so gut wir können. Das ist ganz allgemein der Status: So gut es halt eben geht. Perfekt ist rein gar nichts bei Sassines. Denn das muss es auch nicht.
Im Beruf muss man perfekt sein. Weil man auf ein Gehalt angewiesen ist, auf den Job ganz allgemein und weil es viel Konkurrenz gibt. Aber als Eltern? Lohn gibt es keinen, den Job hat man lebenslänglich und Konkurrenz ist keine in Sicht (abgesehen von anderen, perfekten Eltern, aber die kann man ignorieren). Da reicht «ganz gut» allemal.
«Gibt sich Mühe» würde in meinem Zeugnis stehen. Denn wo sonst, wenn nicht bei den Kindern, ist das Scheitern vorprogrammiert, wenn man nach Perfektion strebt? Man denke nur ans Mittagessen. Da gibst du dir Mühe und kochst mal was Neues. «Hani nöd gärn!». Nasen werden gerümpft, das Essen im Teller rumgeschoben. Und so geht es mit so Vielem als Eltern: Gut genug reicht deshalb völlig aus, alles andere ist illusorisch. Denn Kinder haben gar nicht so hohe Ansprüche, sie wollen vor allem geliebt werden. Und das ist das Einzige, wo ich keine «Gut-Genug-Philosophie» habe: Ich liebe meine Kinder. Ohne Wenn und Aber. Das muss reichen.

Dieser Post erschien erstmals auf wireltern.ch

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